Land und Leute
INDIEN – Partnerdiözese Kanjirapally
Sebastian Edakarottu
1. Musik
2. Allgemeine Info über INDIEN
Im Rahmen des 25-jährigen Bestehens der Partnerschaft der Diözese Kanjirapally mit der Diözese Eisenstadt möchte ich Euch meine Diözese näher bringen. „Ohne die Hilfe aus dem Burgenland gäbe es unsere Diözese nicht.“ – mit diesen Worten bedankte sich unser Bischof Mathew Arackal für die Unterstützung in den vergangenen 25 Jahren. Normalerweise erwarten sich die Leute Vorträge über die Situation der Armen in unserem Land. Mein Vortrag zeigt die Entwicklung der Diözese innerhalb dieser 25 Jahre und welche wichtige Rolle und Aufgabe Kirche für Land und Leute hat. Ich möchte Euch jedoch die positive Entwicklung und die Frucht unserer Bemühungen zeigen, wie wir versuchen Armut zu überwinden und welche wichtige Rolle die Kirche dabei spielt. Dieses bedeutet aber nicht, dass es keine Armut und Not in unserem Land gibt!
3. Christentum in INDIEN
Die Ursprünge des Christentums in Indien gehen zurück auf den Apostel Thomas. 52 n. Chr. erreichte er INDIEN, gründete mehrere christliche Gemeinden und baute sieben Kirchen. Von daher auch ihr Name „Thomas-Christen“. Durch den Einfluss des Apostels entwickelten die Gemeinden eigene Bräuche und eine eigene Kultur.
Während der Islamisierung des Nahen Ostens verloren sie den Kontakt zur anderen christlichen Welt.
Großen Einfluss hatten im 15. Jhd. die westlichen Missionare, die mit den portugiesischen und britischen Kolonialherren kamen. Anfang des 16. Jhd. übertrug die römische Kurie den portugiesischen Kolonisatoren das Patronat über alle Christen in INDIEN. Bis 1923 waren die Thomas-Christen den portugiesischen Bischöfen unterstellt. 1993 bekamen die Thomas-Christen ein eigenes Patriachart.
Die Diözese Kanjirapally wurde 1977 von Paul VI gegründet und ist die jüngste Diözese Keralas.
Die Region Kerala, in der die Diözese Kanjirapally liegt, ist der südwestlichste Bundesstaat Indiens. Er zählt zu den am dichtesten besiedelten des Landes: Mit 38.863 Quadratkilometer ist er zwar nur etwa doppelt so groß wie Niederösterreich, wird aber von mehr als 32 Mio. Menschen bewohnt.
In der Diözese Kanjirapally leben etwa 1 Mio. Menschen. Neben Muslimen und Hindus gibt es auch fünf verschiedene christliche Kirchen, darunter etwa 20.000 Thomaschristen, die sich in mehrere Gruppierungen spalten. Insgesamt gibt es in der Diözese etwa 170.000 Katholiken, die von 247 Priestern – davon 150 Ordenspriestern – betreut werden.
4. Diözese Kanjirapally – Leben in Fülle
Pastoral Programm
Das Motto der Diözese lautet nach Joh 10,10 „Der Dieb kommt nur, um zu stehlen, zu schlachten und zu vernichten; ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.“
Der jetzige Bischof Mathew Arackal sagt erklärend: In den letzten 25 Jahren hat die Diözese probiert diese Worte Jesus zu verwirklichen, nicht nur im spirituellen Bereich, sondern auch im psychisch und physischen Bereich. Der Mensch soll in seiner Ganzheit (Körper, Geist und Seele) gesehen und angenommen werden, ohne Unterscheidung von Religion, Kaste, … . Alle sollen angesprochen werden. Weiters wird Der Mensch nicht nur als Einzelner betrachtet, sondern als Teil der Gesamtheit, also Teil der Gesellschaft – seine Rolle, seine Rechte und seine Pflichten, seine Fähigkeiten, die Schwierigkeiten die ihm umgeben, … . Nur in einem Miteinander, in einer Beteiligung aller, erreicht man das von Jesus genannte Ziel: ein Leben in Fülle.
Sozial-, Wirtschafts- und Bildungsprogramm
Es gibt zwei verschiedene Landschaftsformen: die Bergregion und die Ebene. Der Großteil der Bevölkerung lebt in Armut und es herrscht hohe Arbeitslosigkeit. Die Menschen in der Diözese Kanjirapally leben vor allem von der Landwirtschaft. Industrie gibt es in Kerala kaum. In den Bergen wird Tee, Kadamon, Kaffee und Pfeffer angebaut, in der Ebene Kautschuk, Bananen, Kokosnuß, „Tabioka“ und Gemüse.
Das Leben der vielen Kleinbauern ist ziemlich hart, da die Kosten für die Produktion weit höher sind, als den Preis den sie für ihre Produkte erhalten. Eines der ersten und wichtigsten Ziele der Diözese war, diese Kleinbauern zu mobilisieren, damit sie selbständig werden und auf eigenen Füßen stehen können.
Um diese Kleinbauern zu stärken hat die Diözese zwei Sozialprojekte gegründet:
PDS – unterstützt die Bauern im Gebirge
MDS – unterstützt die Bauern in der Ebene
Einige Beispiele für die Arbeit von MDS:
- Milchproduktion: Mittlerweilen werden 100.000 Liter Milch von rund 30.000 Kleinbauern gesammelt. Diese Kleinbauern besitzen 1 bis 2 Kühe. Mit den Preis, den sie für die Milch erhalten, decken sie einen Großteil der Grundbedürfnisse der Familie. An dieser Stelle bedanke ich mich bei der Pfarre Stegersbach für ihre Hilfsaktion „Erzengel Raphael“. Diese Hilfsaktion gibt den einfachen Leuten die Möglichkeit ein bis zwei Kühe zu kaufen und damit die Familie zu ernähren!
- Gründung verschiedener Kleinbetriebe, z.B. Produktion von Seifen, Kerzen, Zünder, Möbel, Schmuck und Schirme, usw. In diesen Kleinbetrieben erhalten Arbeitslose und Menschen ohne Berufsausbildung die Möglichkeit einen Beruf zu erlernen.
Durch Vergabe von Kleinkrediten ermöglicht die Diözese diesen Leuten die Ausbildung und eine Starthilfe für eigene Kleinbetriebe. Es freut mich zu erwähnen, dass dieses Modell der Kleinkredite heuer in Bangladesch den Nobelpreis erhalten hat.
- Als Beispiel gilt auch die Honigindustrie: Kleinbauern werden angelernt, Honig zu produzieren. Die Produkte der Bauern werden gesammelt und national vermarktet. Dadurch bekommen die Bauern einen guten Preis.
- Einfache Bauern werden motiviert und geschult Bioprodukte, wie z.B. Kaffee, Tee und Gewürze anzubauen.
- Weiters werden nachhaltige Energieformen gefördert: Biogas und Biomasse, Solarenergie; Wasser-, Boden- und Regenwasseraufbereitung und andere umweltfreundliche Projekte.
Die zweite Organisation heißt PDS.
Ihr Schwerpunkt liegt in der langfristigen und ganzheitlichen Entwicklung der armen Leute, die in den Bergen wohnen. Unter dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ wurde sie vom damaligen Priester eines Bergdorfes und heutigen Bischof Mathew Arackal mit Unterstützung von vermögenden Landsleuten und Hilfe aus dem Ausland gegründet. Das Programm umfasst u. a. Hilfe zum Sesshaftwerden der Ureinwohner, Schulen und Heime für Kinder und Jugendliche, Tischler-Ausbildung, Schulungen für Frauen in Haushalt und Gesundheit, Partnerschaften armer indischer Familien mit kanadischen und europäischen Familien, mehrere Ayurveda-Zentren … und zuletzt die Fabrik für Bio-Tee. Mittlerweile ist PDS eine national und international anerkannte Nicht-staatliche-Hilfsorganisation (NGO) geworden.
Dazu nun einige konkrete Beispiele:
- Ayurveda (= „Wissen vom Leben“) ist die älteste ganzheitliche Heilmethode Indiens und entstand vor 4000 Jahren. Um diese Heilmethode wieder zu entdecken und dadurch den einfachen Leuten eine Einkommensquelle zu ermöglichen hat PDS ein Ayurvedisches Zentrum gebaut. Die Produktion von ayurvedischen Medizin und die Ausbildung von Ayurvedischen Pflegepersonal ermöglicht neue Arbeitschancen für die einheimische Bevölkerung. Jährlich kommen Personen auch vom Burgenland in dieses Zentrum, um sich behandeln zu lassen.
- Fabrik für Bio-Tee und Kaffee und biologische Gewürze: Weil vom Pflücken bis zum Verarbeitungsprozess nicht mehr als fünf Stunden vergehen sollten, wurde die Teefabrik ganz in der Nähe der Anbaugebiete gebaut. Die Leute der PDS arbeiten anders wie die Plantagen, nämlich ohne Kunstdünger und Pestizide. Die Verantwortlichen versuchen Bauern zu überzeugen auf biologischen Anbau umzusteigen. Die Bauern bekommen dadurch drei bis viermal soviel Geld pro Kilo grüner Blätter als früher.
- Entwicklung und Verwendung nachhaltiger und erneuerbarer Technologie- und Energieformen: Wasser, Biogas, Biomasse, Solarenergie, Regenwasseraufbereitung, …
- eigene technische Schulen (vergleichbar mit unseren Berufschulen), in denen sie lernen, mit dem ihnen zur Verfügung gestellten Material zu arbeiten.
Bildung hat in Kerala hohe Priorität. Das sieht man auch daran, dass die Analphabetenrate sehr gering ist (rund 1%). Rund 80 % der Ausbildungseinrichtungen gehören zur Diözese. In jeder Pfarre gibt es Kindergärten und in fast allen Pfarren sind Volksschulen. Es gibt 26 Höhere Schulen und 10 Hochschulen.
Auch hier möchte ich mich recht herzlich bei dem mattersburger Verein „leben zu leben“ bedanken, der viele Kindergärten bei uns unterstützt. Die Schulen wurden hauptsächlich dort gebaut, wo es für die ländliche Bevölkerung keine Gelegenheit zu einem Schulbesuch gab. – Hier darf ich euch meine Volksschule vorstellen.
Nach einer guten Grundausbildung gab es in Kerala jedoch lange Zeit keine Gelegenheit ein College zu besuchen und dadurch eine höhere qualifizierter Ausbildung zu erlangen. Das Angebot in den anderen Bundesländern war für den Großteil der Bevölkerung finanziell unerschwinglich. Zur Gewährleistung einer höheren Ausbildung der eigenen Bevölkerung wurden daher drei College mit verschiedenen Schwerpunkten gebaut:
- St.Dominik-College: allgemeines College mit Geschichte, Wirtschaft, Literatur, allgemeine Kunst, …
- Marien-College: Computer- und Wirtschaftsmanagement
- Amal Jyothi-College: Technik und Computer
Caritativer Dienst: Um sicher zu gehen, dass jeder Mensch auch ein Leben in Fülle führen kann, wurden verschiedene Projekte und Einrichtungen gegründet: für alte Menschen, für Menschen mit Behinderung, für am Rand stehende Menschen, für Alkoholiker und Drogenabhängige, für Kranke und Sterbende, allein stehende Frauen, für Kinder, ….. – für all jene, die sonst keine Chance auf Leben und Bildung hätten.
Von staatlicher Seite gibt es für diese Menschen keine Unterstützung. Rund um die 1300 Klosterschwestern und Ordenspriester versehen den Dienst in diesen Einrichtungen. – Dieses Zentrum habe ich mit meinen Jugendlichen gebaut, als ich Domkaplan war und sie versorgen es und kümmern sich jetzt noch darum. Weiters baute die Diözese rund 5000 Häuser für Arme und Obdachlose. Auch in diesem Projekt war ich eingebunden.
Für die Versorgung der Armen wurden 14 Spitäler und 9 Ärzte Ordinationen errichtet. Rund 30.000 Familien bekommen finanzielle Unterstützung, damit sie das Haus erhalten und durch eine Ausbildung und einen Beruf zur Selbständigkeit gelangen. Sobald sie im Berufsleben stehen, müssen sie dieses Geld zurückzahlen um so anderen auch die Chance zu geben eine Ausbildung zu erlangen. Diese Projekte werden von einer Gruppe in Fürstenfeld unterstützt. Ein großes Dankeschön und Vergelt`s Gott!
Kulturentwicklung: In einem eigenen Referat und durch eigens ausgebildete Sozialteams wird ein Kunst- und Kulturprogramm entwickelt. Für Jung und Alt werden verschiedene Angebote erstellt, z.B. Artistik, Performance, Musik, ….
Erwähnenswert ist besonders das Theater. Hier werden momentan wichtige und aktuelle Themen (z.B. Alkoholproblematik) angesprochen und durch die Verarbeitung in einem Stück die Situation dargestellt und eine Orientierung vorgegeben.
In einer eigenen Druckerei werden Zeitungen erstellt und es gibt eine Bibliothek.